20. November 2007

CALL FOR PAPERS

MONOTHEISMUS UND MESSIANISMUS
HERMANN COHEN ZUM 90. TODESTAG

26.-29. Juni 2008
Arnoldshain/Ts.


„Dies ist der allgemeinste Sinn der Offenbarung: dass Gott in Verhältnis tritt zum Menschen.”
„Der Monotheismus gipfelt im Messianismus, aber sein Schwerpunkt liegt in dem Verhältnis zwischen Gott und dem Individuum.“
Hermann Cohen, Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums


Anlässlich des 90. Todestages des Begründers der Marburger Neo-Kantianischen Schule Hermann Cohen sowie des 10-jährigen Bestehens der Hermann-Cohen-Akademie für Religion, Wissenschaft und Kunst (Buchen/Odw.) wollen wir uns der Frage der Verbindung von Monotheismus und Messianismus widmen, um dem jüdischen Beitrag zur europäischen Geistesgeschichte auf den Spuren Hermann Cohens nachzugehen.

Bei Hermann Cohen finden wir nicht nur zum ersten Mal einen systematischen Versuch, das Judentum mit der Ethiko-Theologie Kants in Einklang zu bringen, sondern zugleich eine grundsätzliche Vernunftkritik aus den Quellen des Judentums, die durch ihre neue Verbindung zwischen Ethik und Religion in einem messianischen Universalismus gipfelt.
Durch die Einführung des Begriffs der Korrelation führt Cohen ein neues Verständnis von Gott wie auch vom Menschen ein: „... nicht Gott allein und an sich, sondern nur in Korrelation zum Menschen, wie freilich daher auch gemäß der Korrelation: nicht der Mensch allein, sondern immer zugleich in Korrelation mit Gott.“ (Hermann Cohen, Der Begriff der Religion im System der Philosophie, Bd. 2, Giessen 1915, S. 32) Der Inhalt dieser Korrelation als menschliche Erkenntnis der göttlichen Intention als ethisches Mandat findet Cohen beim Propheten Micha: „Es ist dir gesagt worden, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir erwartet.“ (Mi 6,8) „Was das Gute sei, soll der Gott verkünden.“ (ebd., S. 33) Das Gute tun als Ausdruck der praktischen Vernunft ist hier aber mehr als bei Kant. Es beinhaltet eine Transformation des Menschen in die Menschheit: die Vorwegnahme der Zukunft, als eine messianische Menschheit, und damit die Antwort auf die dritte Kantische Frage – nach den Fragen nach dem Wissen und nach dem Sollen - bezüglich der Hoffnung. Die Zuversicht auf die Zukunft der Menschheit ist eingebettet in die Hoffnung, nicht jenseits der Geschichte, sondern im Verhältnis des Menschen zum Mitmenschen, der, wie du, Mensch ist. „Liebe deinen Nächsten, er ist wie du.“ Die Korrelation zeigt sich somit als ethisches Verhältnis.
Für Cohen bilden diese Erkenntnisse den Rahmen seiner Existenz als Jude und als deutscher Philosoph, und sein Streben ist danach ausgerichtet, seine Ethik mit den Quellen des Judentums in Übereinstimmung zu bringen. Cohen beschreibt diese Tradition als „messianische Religion“, die einen neuen Zeitbegriff beinhaltet: die Zukunft – „Sie allein erfüllt die Zeit, sie allein macht die Zeit lebendig, wahr und gehaltvoll.“ (ebd., S. 34)
Der Gott, der mir gebietet, ist größer als das ethische Gesetz in mir, und diese Konfrontation bildet den Kern der religiös-ethischen Korrelation zwischen Mensch und Gott in Cohens Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums. Versöhnung und Liebe sind es, die den Menschen von der Abstraktion der Ethik retten; hier liegt die Sicherheit und die menschliche Einsicht, dass am Ende das Gute in der Welt siegen wird. Monotheismus und Messianismus haben somit ihren Schwerpunkt im Verhältnis zwischen Gott und dem Individuum.
In diesem Sinn ist der für Hermann Cohen wichtige Spruch Rabbi Akibas „Heil euch Israel, vor wem werdet ihr gereinigt und wer reinigt euch, euer Vater im Himmel“ im Logo der Hermann-Cohen-Akademie für Religion, Wissenschaft und Kunst eingeschrieben.

Im ersten Teil unserer Konferenz wollen wir uns dem historischen, sozialen und kulturellen Kontext von Deutschtum und Judentum und dem Aufkommen der Wissenschaft des Judentums im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert widmen und untersuchen, welchen Ort das Gesamtœuvre Hermann Cohens als Kritik des Kulturprotestantismus einerseits und des Zionismus andererseits einnimmt.
Der zweite Teil soll Hermann Cohens Kantrezeption im Spannungsfeld von Religion und Philosophie wie auch von Ethik und Geschichte thematisieren.
In einem dritten Teil möchten wir die Verbindung von Monotheismus und Messianismus in Tradition, Moderne und Post-Moderne diskutieren, insbesondere die Frage nach einer kontextuellen Politischen Hermeneutik im Zeitalter der Globalisierung und der Wiederkehr von Religion und Nationalismus.
Der letzte Teil soll die Rezeptionsgeschichte Hermann Cohens bei Ernst Bloch, Franz Rosenzweig, Martin Buber, Margarete Susman, Gustav Landauer, Emmanuel Lévinas u.a. in Zusammenhang mit dem Gesamtthema der Tagung untersuchen.


Konferenzsprachen: Deutsch und Englisch

Kontakt

1. November 2007

Workshop "Mensch, Geschichte und Vernunft in den drei monotheistischen Religionen."

Dienstag, 20.11.2007

Workshop im Interdisziplinären Zentrum "Weltreligionen im Dialog"
Universität Hamburg

Weitere Informationen hier

Berliner Gespräche zu Fragen der Zeit: Franz Rosenzweig (1886-1929)

23. November 2007

„Forum: 100 Jahre Jüdische Denker“.
Eveline Goodman-Thau und Gesine Palmer sprechen über Franz Rosenzweig.

Literaturhaus Berlin
20 Uhr. Fasanenstraße 23, 10719 Berlin-Wilmersdorf.

MONOTHEISMUS UND MESSIANISMUS. Hermann Cohen zum 90. Todestag

Internationale Tagung der Hermann-Cohen-Akademie in der Evangelischen Akademie Arnoldshain

26.-29. Juni 2008

Anmeldung zur Tagung hier

Call for Papers: MONOTHEISMUS UND MESSIANISMUS. Hermann Cohen zum 90. Todestag

26.-29. Juni 2008
Arnoldshain/Ts.



„Dies ist der allgemeinste Sinn der Offenbarung: dass Gott in Verhältnis tritt zum Menschen.”

„Der Monotheismus gipfelt im Messianismus, aber sein Schwerpunkt liegt in dem Verhältnis zwischen Gott und dem Individuum.“


Hermann Cohen, Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums



Anlässlich des 90. Todestages des Begründers der Marburger Neo-Kantianischen Schule Hermann Cohen sowie des 10-jährigen Bestehens der Hermann-Cohen-Akademie für Religion, Wissenschaft und Kunst (Buchen/Odw.) wollen wir uns der Frage der Verbindung von Monotheismus und Messianismus widmen, um dem jüdischen Beitrag zur europäischen Geistesgeschichte auf den Spuren Hermann Cohens nachzugehen.

Bei Hermann Cohen finden wir nicht nur zum ersten Mal einen systematischen Versuch, das Judentum mit der Ethiko-Theologie Kants in Einklang zu bringen, sondern zugleich eine grundsätzliche Vernunftkritik aus den Quellen des Judentums, die durch ihre neue Verbindung zwischen Ethik und Religion in einem messianischen Universalismus gipfelt.
Durch die Einführung des Begriffs der Korrelation führt Cohen ein neues Verständnis von Gott wie auch vom Menschen ein: „... nicht Gott allein und an sich, sondern nur in Korrelation zum Menschen, wie freilich daher auch gemäß der Korrelation: nicht der Mensch allein, sondern immer zugleich in Korrelation mit Gott.“ (Hermann Cohen, Der Begriff der Religion im System der Philosophie, Bd. 2, Giessen 1915, S. 32) Der Inhalt dieser Korrelation als menschliche Erkenntnis der göttlichen Intention als ethisches Mandat findet Cohen beim Propheten Micha: „Es ist dir gesagt worden, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir erwartet.“ (Mi 6,8) „Was das Gute sei, soll der Gott verkünden.“ (ebd., S. 33) Das Gute tun als Ausdruck der praktischen Vernunft ist hier aber mehr als bei Kant. Es beinhaltet eine Transformation des Menschen in die Menschheit: die Vorwegnahme der Zukunft, als eine messianische Menschheit, und damit die Antwort auf die dritte Kantische Frage – nach den Fragen nach dem Wissen und nach dem Sollen - bezüglich der Hoffnung. Die Zuversicht auf die Zukunft der Menschheit ist eingebettet in die Hoffnung, nicht jenseits der Geschichte, sondern im Verhältnis des Menschen zum Mitmenschen, der, wie du, Mensch ist. „Liebe deinen Nächsten, er ist wie du.“ Die Korrelation zeigt sich somit als ethisches Verhältnis.
Für Cohen bilden diese Erkenntnisse den Rahmen seiner Existenz als Jude und als deutscher Philosoph, und sein Streben ist danach ausgerichtet, seine Ethik mit den Quellen des Judentums in Übereinstimmung zu bringen. Cohen beschreibt diese Tradition als „messianische Religion“, die einen neuen Zeitbegriff beinhaltet: die Zukunft – „Sie allein erfüllt die Zeit, sie allein macht die Zeit lebendig, wahr und gehaltvoll.“ (ebd., S. 34)
Der Gott, der mir gebietet, ist größer als das ethische Gesetz in mir, und diese Konfrontation bildet den Kern der religiös-ethischen Korrelation zwischen Mensch und Gott in Cohens Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums. Versöhnung und Liebe sind es, die den Menschen von der Abstraktion der Ethik retten; hier liegt die Sicherheit und die menschliche Einsicht, dass am Ende das Gute in der Welt siegen wird. Monotheismus und Messianismus haben somit ihren Schwerpunkt im Verhältnis zwischen Gott und dem Individuum.
In diesem Sinn ist der für Hermann Cohen wichtige Spruch Rabbi Akibas „Heil euch Israel, vor wem werdet ihr gereinigt und wer reinigt euch, euer Vater im Himmel“ im Logo der Hermann-Cohen-Akademie für Religion, Wissenschaft und Kunst eingeschrieben.

Im ersten Teil unserer Konferenz wollen wir uns dem historischen, sozialen und kulturellen Kontext von Deutschtum und Judentum und dem Aufkommen der Wissenschaft des Judentums im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert widmen und untersuchen, welchen Ort das Gesamtœuvre Hermann Cohens als Kritik des Kulturprotestantismus einerseits und des Zionismus andererseits einnimmt.
Der zweite Teil soll Hermann Cohens Kantrezeption im Spannungsfeld von Religion und Philosophie wie auch von Ethik und Geschichte thematisieren.
In einem dritten Teil möchten wir die Verbindung von Monotheismus und Messianismus in Tradition, Moderne und Post-Moderne diskutieren, insbesondere die Frage nach einer kontextuellen Politischen Hermeneutik im Zeitalter der Globalisierung und der Wiederkehr von Religion und Nationalismus.
Der letzte Teil soll die Rezeptionsgeschichte Hermann Cohens bei Ernst Bloch, Franz Rosenzweig, Martin Buber, Margarete Susman, Gustav Landauer, Emmanuel Lévinas u.a. in Zusammenhang mit dem Gesamtthema der Tagung untersuchen.


Konferenzsprachen: Deutsch und Englisch

2. September 2007

Die Vernunft als Heilmittel – Trilog Salzburg 2007

„Vernunft ist die Waage Gottes auf Erden“ (Mohammed al-Ghazzali, 1058-1111) war das Motto des diesjährigen Trilogs, zu dem dem die Bertelsmann-Stiftung, die Salzburger Festspiele und das Wiener Außenministerium 35 Gäste aus 17 Ländern zu Gesprächen in der Salzburger Residenz über „Gelingen und Grenzen interreligiöser Verständigung“ eingeladen hatten.

Den Rahmen dieses Treffens bildete nicht nur die heurige Thematik der Festspiele „Nachtseite der Vernunft“, aber mehr als alles andere das 1999 von Daniel Barenboim und Edward Said gegründete East-Western Divan Orchestra, welches mit Werken von Beethoven, Schönberg und Tschaikowski die Grenzen des Geredes durch die Macht der Musik sprengte.

Das Gelingen eines Dialogs hängt, so stellte es sich heraus, eben nicht von der Vernunft ab, sondern vom Hören ab, eine Wahrheit, die bereits früh im biblischen „Höre Israel“ eingeschrieben ist. Kein Text kann das offene Zwiegespräch zwischen Gott und Mensch und somit auch zwischen Mensch und Mensch ersetzen: die List der Vernunft ist dem Ohr nicht gewachsen.

Die Aufklärung hatte versucht, die Bereiche der Religion, der Wissenschaft und der Kunst voneinander zu trennen und am Anfang des dritten Millenniums stehen wir einerseits an der Schwelle von fast unbegrenzten technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten und Errungenschaften, die aber zugleich die Nachtseite dieser „vernünftigen“ Lösungen aufdecken. Wachsender religiöser Fundamentalismus und Terror sind die äußeren Zeichen einer weltweiten tiefen Verunsicherung. Nach der Christianisierung, der Kolonialisierung und der Globalisierung der Welt sind die stürzenden Türme von Manhattan seit 9/11 in das kollektive Gedächtnis als Menetekel einer man made Katastrophe eingeprägt, und die Frage ist nach wie vor, ob die Vernunft der Aufklärung mit ihrer scharfen Trennung zwischen Wissen und Glauben – an der das aufgeklärte Europa im Holocaust so schmerzhaft gescheitert ist – noch als Heilmittel dienen kann. Für Juden und Muslime ist Religion Kultur und das christliche geprägte Europa hat es bis zum heutigen Tag nicht geschafft, Islam und Judentum zu integrieren.

Konkret ging es im Trilog um die Frage, ob verschiedene Interpretationen des Vernunftbegriffs miteinander in Einklang zu bringen sind, eine Kernfrage des Dialogs zwischen den Kulturen. Wenn Vernunft indertat die Waage Gottes in der Welt sei, dann kann diese nur durch Wissen und Glauben im Gleichgewicht gehalten werden, ein Gleichgewicht, das in der gegenwärtigen globalen Krise der Kultur zerstört ist, mit blutigen Folgen.

Der Hintergrund für die Podiumsdiskussion, Auftakt zum Trilog in der Universitätsaula war ein überdimensionales Bild von Jerusalem, Geburtswiege der drei monotheistischen Religionen, und damit stand selbstverständlich bereits der Kontext des Nah-Ost-Konflikts im Mittelpunkt. Es wurde allmählich klar, dass es in diesem Konflikt „Akteure“ und „Zuschauer“ gibt. Die europäischen Politiker, der frühere Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, der die Veranstaltung moderierte, Außenministerin Ursula Plassnik und der frühere deutsche Außenminister Joschka Fischer setzten nach wie vor auf die Vernunft. Letzterer bezeichnete die Epoche nach dem Ersten Weltkrieg als ein „Zeitalter der Unvernunft unter dem Banner der Vernunft“, wobei Schüssel und Plassnik die Glaubensfreiheit als vernünftiges Postulat beschworen. Alle beklagten den Mangel an Kooperation, Vertrauen und Kompromissbereitschaft zwischen den streitenden Parteien.

Der Großmufti von Bosnien-Herzegowina, Mustafa Ceric, plädierte für die Anerkennung des Islam als kulturelles Erbe Europas und erklärte, dass das Heilige Land nicht einem Volk allein gehöre, sondern alles großen Weltreligionen, wobei Kardinal Walter Kasper, Päpstlicher Rat für Einheit der Christen, betonte, dass man sich heute wieder um den Dialog zwischen Glauben und Vernunft bemühe, im Bewusstsein, dass heute in Europa Menschen unterschiedlicher Religionen zusammenleben, aber dass man leider zu wenig voneinander wisse...

Ziad Abu-Amr, früherer palästinensischer Kultur- und Außenminister, meinte, dass es falsch sei, Religionen für politische Probleme verantwortlich zu machen. Das Ziel Israels sei die Sicherheit, das der Palästinenser das Recht auf Existenz. Beide Ziele seien miteinander vereinbar. Eine hoffnungsvolle Aussage, die ganz und gar von Maestro Daniel Barenboim bestätigt wurde in seinem Bericht über die israelischen und arabischen Musiker im East-Western Divan Orchestra, „wo man auf das hören muss, was die anderen spielen“.

In der Musik geht es um das Zusammenspiel von Leidenschaft und Vernunft, von Kopf und Herz. Und so hatte ich die Gelegenheit, daran zu erinnern, dass im Hebräischen das Wort für ‚Kunst’ – Omanut und für ‚Glauben’ – Emunah aus derselben Wurzel stammen, eine Tatsache, die im Wort Amen ins Abendland eingegangen ist.
Eine Bestätigung dafür, dass im biblischen Monotheismus die Kunst eben nicht die Nachtseite, sondern gerade die Lichtseite der Vernunft verkörpert.
Am Abend hatten wir dann im bis zum letzten Platz besetzten Saal des Großen Festspielhauses in Salzburg die Gelegenheit, den Zusammenklang von Vernunft und Glauben zu erleben, wo junge Menschen aus Syrien, Ägypten, Iran, Palästina, Israel, Libanon und Jordanien aufeinander horchten und im Miteinander ihre Instrumente, inspiriert von Barenboim, zum richtigen Klang brachten.

Nach der Ouvertüre Leonore von Beethoven waren die Variationen für Orchester von Arnold Schönberg perfekte Übungen zum Dialog. Aber erst im Finale, in Tschaikowskis Pathéthique, kam alles zusammen, was Israelis und Palästinenser in den letzten Jahrzehnten auskämpfen. Der dritte Satz, eine triumphale Ode an den Frieden, aber das Ende ein Requiem für alle Söhne und Töchter an beiden Seiten, die diesen Frieden leider nicht erleben werden, wenn er endlich kommt...

Eine alte jüdische Legende erzählt, dass alle Gegenstände im Tabernakel für immer gegeben wurden, nur der Schofar für eine Stunde, weil er in jeder Stunde neu geblasen und neu gehört werden soll.

So ist es mein Herzenswunsch, dass das Orchestra im nächsten Jahr zur 60. Jahresfeier des Staates Israel in Jerusalem spielt. Daniel Barenboim und seine Musiker sind bereit, aber die Frage ist, ob es die (politische) Vernunft erlauben wird.

(c) Eveline Goodman-Thau, Jerusalem 2. September 2007

26. August 2007

6. SALZBURGER TRILOG / Kunst-Wirtschaft-Politik, Salzburg, 12.-13. August 2007

Zum sechsten Mal trafen sich in Salzburg auf Einladung der Bertelsmann-Stiftung und dem Österreichischen Aussenministerium Persönlichkeiten verschiedener Weltreligionen sowie Vetreter aus Politik, Wissenschaft und Kultur.Diskussionsthema waren die Perspektiven interreligiöser Verständigung zu Beginn des 21. Jahrhunderts.
Das Podiumsgespräch in der Großen Universitätsaula mit dem Titel "Vernunft ist die Waage Gottes auf Erden" nach einem Zitat des muslimischen Theologen al-Ghazzali wurde eingeführt durch den Intendanten Jürgen Flimm, und dem Initiator des arabisch-israelischen Orchesters, Daniel Barenboim, die die zentrale Idee des Projektes erläuterten: Gemeinsames Musizieren erfordere nicht nur eine Balance von Vernunft und Gefühl, sondern auch das gleichzeitige Zuhören und Spielen. Verschiedene musikalische Stimmen verschmelzen zu einem Ganzen. Die Musik lehre auf konstruktive Weise verschieden zu sein, sich aber dennoch auf gemeinsame Ziele einigen zu können.
Unter den Diskutanten waren weiterhin Ziad Abu-Amr, der ehemalige palästinensische Kultur- und Außenminister, Joschka Fischer und die österreichische Außenministerin Ursula Plassnik, die die Schwierigkeiten eines gelingenden Dialogs im Nahem Osten diskutierten. Vertreterinnen und Vertreter aus den Weltreligionen unterstrichen die Verantwortlichkeit der monotheistischen Religionen für den Nahen Osten. Mustafa Ceric, Großmufti von Bosnien und Herzegowina, betonte, dass der Nahe Osten für alle Religionen von Bedeutung sei. Es gebe verschiedene Vernunftbegriffe in den Religionen und nur die Einheit in der religiösen Vielfalt könne Frieden befördern. Kardinal Walter Kasper forderte die Verteidigung des absoluten Wahrheitsanspruchs der Religionen ein, aber auch die Aufgabe, im Dialog ihre versöhnende Kraft und Wertschätzung der anderen Religion zu verstärken.

Nach Ansicht der in Jerusalem lebenden Rabbinerin und Direktorin der Hermann-Cohen-Akademie Prof. Dr. Eveline Goodman-Thau müssen die Religionen eine Entscheidung für den Frieden und gegen Krieg treffen, denn Moral erweise sich im Handeln, nicht im Glauben.


Sonntag, den 12. August 2007 begann in Salzburg der vom Österreichischen Außenministerium und der Bertelsmann-Stiftung veranstaltete 2-tägige 6. Salzburger Trilog - Kunst-Wirtschaft-Politik. Im Bild die Teilnehmer der Podiumsdiskussion "Reason is Gods Scale on Earth".(v.L.n.R.) ÖVP-Klubobmann, Alt-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, Jürgen Flimm, BRD-Ex-Außenminister Joschka Fischer, Kardinal Walter Kasper, Mustafa Ceric (Großmufti von Bosnien-Herzegowina), Außenministerin Ursula Plassnik, Liz Mohn (Vize-Präsidentin Bertelsmann-Stiftung), Rabbinerin Eveline Goodman-Thau (Direktorin der Hermann-Cohen-Akademie), Ziad Abu-Amr (Ex-Palästinensischer Außenminister)

Quelle: http://www.bmeia.gv.at
Foto: Hopi-Media

31. Juli 2007

Neuerscheinung "DAS EIGENE ERINNERN"


Soeben erschienen ist der Sammelband
"DAS EIGENE ERINNERN. GEDENKKULTUR ZWISCHEN REALITÄT UND NORMALITÄT"
hg. Eveline Goodman-Thau
Jüdische Passagen,hg. Eveline Goodman-Thau, Bd. 1, Wien 2007 (208 Seiten))
mit Beiträgen von Micha Brumlik, Eveline Goodman-Thau, Rafael Seligmann, Wolfgang Dreßen, Heinz D. Kittsteiner, Thomas Reichert, Christian Wiese, Barbara Agnese, Bertrand Wert, Herlinde Pauer-Studer, Alexander Friedmann, Ronald J. Pohoryles.
Möchten Sie das Buch rezensieren?

16. Juli 2007

2008: Verleihung der 6. "Hermann-Cohen-Medaille für Jüdische Kulturphilosophie"

Die sechste Hermann-Cohen-Medaille für Jüdische Kulturphilosophie wird im November 2008 im Rahmen einer internationalen Tagung der Hermann-Cohen-Akademie in Berlin an die Literaturwissenschaftlerin und Autorin Prof. Dr. Ruth Klüger verliehen.

2. Juli 2007

Bericht über die Tagung "Neues Denken - Jüdisches Denken. Eine Retroperspektive"

Anlässlich des 120. Geburtstags des jüdischen Philosophen Franz Rosenzweig veranstaltete die Hermann-Cohen-Akademie für Religion, Wissenschaft und Kunst eine internationale Tagung zum Thema „Neues Denken – Jüdisches Denken. Franz Rosenzweig zum 120. Geburtstag. Eine Retro-Perspektive“ in der Evangelischen Akademie Arnoldshain vom 28. Juni bis 1. Juli 2007.

In ihrem eröffnendem Vortrag beschrieb Prof. Dr. Eveline Goodman-Thau, Direktorin der Hermann-Cohen-Akademie, das Kerninteresse der Tagung:

„Die Annahme, dass Rosenzweigs Werk primär in den historischen Kontext der westlichen philosophischen Tradition verstanden werden könnte, wird zunehmend in Frage gestellt, da diese Tradition eine Entwicklung von einer historischen zu einer hermeneutischen Philosophie aufweist, in deren Folge die Problematik des Übergangs von Religion und Moderne nicht mehr nur die Kritik des Systems, sondern vielmehr auch die Einbeziehung der verschiedenen religiösen Tradition erfordert, denen das säkulare Denken entstammt. Es geht dabei nicht bloß um eine Verbindung zwischen Theologie und Philosophie im klassischen Sinn, sondern um neue Fragestellungen. Immanuel Kants „Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ (1794) ist signifikant unterschieden von Hermann Cohens „Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums“ (1919). Die Quellen des Judentums haben eine andere Verbindung zwischen Religion und Vernunft hervorgebracht, als die aus dem Historismus und der westlichen Aufklärung entstandene. Im Rückblick können wir beobachten, dass Rosenzweigs Versuch eine Metaphysik zu entwickeln, wegweisend und einzigartig darin ist, dass er nicht nur mit hegelianischer Dialektik und dem deutschen Idealismus bricht, sondern zugleich auch das zeitgenössische Denken mit neuen Vorstellungen von der Beziehung zwischen Gott, Mensch und Welt konfrontiert. [...] Rosenzweig stürzt das Gebäude der westlichen Tradition von Iona bis Jena aus säkularer und religiöser Perspektive um, und befragt das bisherige Verständnis von Geschichte, Sprache und Selbst. Darum ist es auch so, dass diese Konferenz die Bedeutung dieses Durchbruchs thematisieren möchten, den wir eigentlich erst jetzt nach 20 Jahren, nachdem wir die Postmoderne bereits verlassen haben und wieder tief in der Moderne sitzen und diese Themen besprechen, erst uns wirklich neu realisieren beginnen und die von ihm aufgeworfenen Fragen, die verbunden sind mit der philosophischen Revolution und dem intellektuellen Leben in Deutschland in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts, an dem sich zahlreiche jüdische Denker beteiligten und ihre Bedeutung für die gegenwärtige Philosophie und Hermeneutik. Man muss verstehen: wenn die Shoa nicht stattgefunden hätte, hätten wir die Schüler von Hermann Cohen, Franz Rosenzweig, Martin Buber gehabt. Hier in Deutschland – das sage ich immer wieder meinen Studenten in Deutschland – ihr seid die einzigen, die diese Bücher in der Ursprache, in der deutschen Sprache lesen können, die aus einer hebräischen Sprache ‚eingedeutscht’ sind.“

Die Vorträge namhafter Philosophen aus Europa, Israel und den USA werden im Rahmen der Reihe Studien der Hermann-Cohen-Akademie zu Religion, Wissenschaft und Kunst, herausgegeben von Eveline Goodman-Thau im Universitätsverlag C. Winter Heidelberg (2008) veröffentlicht.




Die fünfte „Hermann-Cohen-Medaille für Jüdische Kulturphilosophie 2007/5767“ wurde an den 1929 geborenen Heidelberger Philosophen Prof. Dr. Reiner Wiehl verliehen, der bereits von Beginn an mit der Hermann-Cohen-Akademie verbunden ist. Die erste wissenschaftliche Tagung der HCA fand 1999 zu Ehren seines 70. Geburtstags in Buchen statt (Eveline Goodman-Thau (Hg.), Zeit und Welt. Denken zwischen Philosophie und Religion, Heidelberg 2002).
In ihrer Grußrede „Vom Sein und die Ordnung der Welt – Reiner Wiehl auf der Suche nach dem Subjekt“ betonte Eveline Goodman-Thau, dass Reiner Wiehls Arbeiten zum jüdischen Denken Hermann Cohens und Franz Rosenzweig in den Zusammenhang des letzten Teils der Geschichte des deutschen Judentums, das durch die Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus ausgelöscht wurde, gehören. Das und zwischen „Deutschtum und Judentum“ war für Hermann Cohen nicht irgendein Thema, es wurde ihm in seinem späten Leben unter dem Eindruck des wachsenden Antisemitismus der Jahrhundertwende zu einer brennenden Frage. Dieses und hat mich bewegt, vor nun nahezu zehn Jahren die Hermann-Cohen-Akademie in Buchen zu begründen. Ihr Vorgänger, Herr Dr. Brötel, sagte: sie haben ein Projekt, hier ist das Haus. Und Sie, Herr Brötel, haben dies seitdem und weiterhin unterstützt und dafür bin ich Ihnen sehr dankbar, denn dies alles ist nicht selbstverständlich für mich. Die Gründung einer freien Akademie am Ende des 20. Jahrhunderts zum 80. Todestag dieses herausragenden jüdischen Denkers Hermann Cohen 1998 ist ein Akt der Erinnerung und der Erneuerung, in dem sich Vergangenheit und Zukunft in der Gegenwart begegnen. Sie erinnert an die lebendige Präsenz blühender jüdischer Gemeinden in allen Teilen Deutschlands am Anfang des letzten Jahrhunderts, von denen nur noch Spuren zu entdecken sind, und ist zugleich ein Neuanfang. Im Versuch ein neues Europa zu gestalten wird es immer deutlicher, wie tief das Trauma der Zerstörung des Judentums als lebendige Tradition in Europe viele Menschen, besonders junge Menschen, tief bewegt. [...] Die Hermann-Cohen-Akademie hat sich etwas zur Aufgabe gestellt, was für mich von Anfang an der Grund war, warum ich überhaupt einen Fuß in Deutschland gesetzt habe: ich möchte die Überschriften „Opfer“, “Täter“ und „Antisemitismus“ vom Judentum herunternehmen, damit wir diese Tradition als eine der Traditionen, die Europa geprägt haben, wieder ohne Schatten und mit Stolz und mit Würde besprechen können. Wir als ältere Generation müssen es der jüngeren Generation ermöglichen, ein historisches Bewusstsein zu entwickeln, das einerseits von der Zerstörung weiß, aber auch weiß, dass es eine Erneuerung gibt. Zuhause in Israel, wo meine Familie, meine fünf Kinder und 17 Enkelkinder leben, möchte ich dem hinzufügen: Israel hat das Hinterland Europa verloren. Wir sind in einem arabischen Raum gelandet, wo der politische Konflikt nach 60 Jahren immer noch da ist. Wir haben Europa als Hinterland verloren, aber vielleicht hat Europa auch uns als geistige Stütze nötig. Vielleicht sind unsere politischen Interessen unterschiedlich, aber menschlich müssen wir diese Brücken bauen, über unsere Personen, über diese Veranstaltung und unsere Interessen und Diskussionen hinaus, weil wir einander nötig haben.“
Pfr. Dr. Hermann Düringer, Leiter der Ev. Akademie Arnoldshain, betonte in seiner Begrüßung, dass die Akademie nunmehr zum wiederholten Male Ort der Verleihung der Hermann-Cohen-Medaille sein darf, wofür er besonders dankbar ist, denn die Ev. Akademie wird weiterhin ihren Beitrag dazu leisten, dass Juden überall auf der Welt und in Israel einen Rückhalt hier in Europa haben.
Dr. Achim Brötel, Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises und zweiter Vorsitzender der Hermann-Cohen-Akademie betonte, dass man zwar „Kapital beschaffen, Fabriken bauen kann, aber Menschen muß man gewinnen. Sie, verehrte, liebe Frau Prof. Goodman-Thau, haben durch Ihre unermüdliche Arbeit schon viele Menschen gewinnen können. Das ist auch der alles entscheidende Ansatz – der Weg, der uns alle in eine hoffentlich gute Zukunft führen wird. Dafür will ich Ihnen an dieser Stelle auch einmal ganz herzlich danken. Jede und jeder von uns hat ja seine eigene, ganz individuelle Geschichte und Prägung. Und trotzdem ist da etwas, was uns alle verbindet. Dieses Einende wieder sehr viel mehr in den Mittelpunkt zu stellen, ja es vielfach überhaupt erst wieder zu entdecken und herauszuarbeiten, ist sicher eine der vornehmsten Zielstellungen der HCA.“
Prof. Dr. Wolfdietrich Schmied-Kowarzik sagte in seiner Laudatio: „Die Wahl von Reiner Wiehl ehrt die HCA in besonderer Weise, denn Reiner Wiehl hat nicht nur zur Wiederbelebung des Werkes von Hermann Cohen beigetragen, sondern ist wie kein anderer der heutigen Denker dem Denken Cohens sehr nahe. Und er hat teilweise und zeitweise die Ausgrenzung aus der Nation, der er sich wie Cohen verbunden fühlt, genauso schmerzhaft wie dieser erfahren.“
Reiner Wiehl bedankte sich in seiner Festrede: „Dass mir hier im Rahmen dieses großen und internationalen Franz Rosenzweigs Kongresses die Hermann-Cohen-Medaille für Jüdische Kulturphilosophie verliehen wird, ist für mich eine große Freude und Ehre – dies nicht nur als übliche Formel des Dankes, sondern Ausdruck einer mich eigentümlich berührenden lebensgeschichtlich Bedeutsamkeit. [...] Was ist das Jüdische einer heutigen Philosophie der Kultur, soweit Philosophie nicht nur jüdisch ist, sondern Sache der Menschheit? [...] Ich kann am besten auf dem Weg, indem ich das Persönliche mit dem philosophischen Gedanken verbinde, dies zum Ausdruck bringen. Indem ich mich im Rahmen dieser Verbindung bewege, befinde ich mich in unmittelbarer Nachbarschaft zu Franz Rosenzweigs „Neuem Denken“, welches für den „Stern der Erlösung“ eine neue Idee des thematischen Philosophierens eingefordert hat, dass das System der Philosophie in seinem Zentrum den Menschen suchen müsse, den einzigen lebendigen Menschen, dessen Lebensspuren sich in den Gedanken systematischen Philosophierens entdecken lassen müssen. Spuren, in denen das Allgemeine der Philosophie die Bewährung im unverwechselbaren Leben findet.“
Die Festschrift zur Verleihung der Hermann-Cohen-Medaille erscheint in der Reihe „Rimonim“ im Universitätsverlag C. Winter, Heidelberg.
Die berühmte Pianistin Veronica Jochum von Moltke (New England Conservatory, Boston), die bereits am Freitagabend ein Konzert mit Werken von Mozart, Walter Braunfels, Beethoven und Oswald Golijev gab, bereicherte den feierlichen Abend mit ihrer unvergleichlich farbreichen Interpretation Bachs wie auch der ersten und frühen Kompositionen Mozarts.

Die Reden zur Verleihung der Hermann-Cohen-Medaille werden in der Reihe "RIMONIM", hg. Eveline Goodman-Thau im Universitätsverlag C. Winter Heidelberg veröffentlicht.

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Ralf Balke, freier Journalist, berichtet über die Tagung. Dieser Bericht erschien in veränderter Form ebenso in der Jüdischen Allgemeinen vom 12.7.2007 (Link folgt):

“Das Jüdische ist meine Methode, nicht mein Gegenstand”
Eine Konferenz würdigt den deutsch-jüdischen Denker Franz Rosenzweig


“Wir als Juden haben einen ganz wesentlichen Anteil an Europas Geistesgeschichte.” Mit diesen klaren Worten eröffnete Professor Dr. Eveline Goodman-Thau eine mehrtägige Konferenz, die das Leben und das Werk des vor über 120 Jahren in Deutschland geborenen Philosophen Franz Rosenzweig in den Mittelpunkt rückte. “Hier hat die Moderne für uns angefangen. Eigentlich könnte ich zur Claims Conference gehen, um ein >geistiges Grundstück< zurückzufordern“, so die Direktorin der Hermann-Cohen-Akademie, eines in Buchen im idyllischen Odenwald gelegenen >Think Tanks<, der sich der jüdischen Philosophie, Religions- und Kulturwissenschaften in all ihren Facetten verpflichtet sieht. “Und das jüdische Denken in die europäische Geistesgeschichte eingebracht zu haben, genau darin liegt der Verdienst und die Bedeutung der Person Franz Rosenzweig”, betont Goodman-Thau.
Franz Rosenzweig wuchs als assimilierter Jude auf, der in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts seinen ganz persönlichen Ort in der christlich geprägten Kulturlandschaft in Europa suchte. Dabei liebäugelte er sogar kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges mit dem Gedanken, ebenso wie zuvor seine beiden Cousins und einige enge Freunde zum evangelischen Glauben zu konvertieren, machte seinen Entschluss aber letztendlich wieder rückgängig. Rosenzweig beschließt nicht nur Jude zu bleiben, sondern verzichtet ganz bewusst, nachdem er bei Friedrich Meinecke seine Doktorarbeit über Hegel und den Staat abgeschlossen hatte, auf eine akademische Karriere im klassischen Sinne. Er engagiert sich in dem >Freien Jüdischen Lehrhaus<, einem Erwachsenenbildungsprojekt im Frankfurt der frühen zwanziger Jahre.
“Franz Rosenzweig lässt sich nur in der Komplexität der Spannungsfelder von Judentum sowie deutscher Identität, Kultur und Intellektualität verstehen”, lautet denn auch die Einschätzung von Professor Dr. Yehudit Kornberg Greenberg aus Florida. “Er zitiert die Bibel mindestens genauso oft wie Goethe.“ Für sie macht das Faszinierende an Rosenzweig sein nuanciertes Konzept von >Liebe< aus. “Judentum wird immer als reine Gesetzesreligion verstanden, während das Christentum als Religion der Liebe dargestellt wird”, so Kornberg Greenberg. “Genau diese konventionelle Wahrnehmung stellte er auf den Kopf.” Für die Herausgeberin der demnächst erscheinenden >Encylopedia of Love in World Religions< ist Rosenzweig der erste moderne jüdische Philosoph, der es schafft, den Begriff >Liebe< als ein wesentliches Element von jüdischer Spiritualität und Judentum herauszuarbeiten. Zugleich erkannte er das Christentum als gleichwertig mit dem Judentum an - für einen dezidiert jüdischen Denker etwas Einzigartiges. Nach Auffassung von Dr. Hermann Düringer, dem Direktor der Evangelischen Akademie Arnoldshain, lieferte er damit die Basistexte für den jüdisch-christlichen Dialog.
Professor Ephraim Meir von der Bar Ilan Universität in Israel kann all das nur bestätigen. “Rosenzweig war ein deutscher Jude, der die Philosophie genauso wie das jüdische Leben in Deutschland erneuern wollte. Dafür schöpfte er tief aus den klassischen jüdischen Quellen und verwendete traditionelle jüdische Begriffe, um seinen philosophischen Ideen Ausdruck zu verleihen und eine neue Vernunftkritik zu entwerfen.” Dadurch geriet er in Konflikt mit den damals vorherrschenden Ideen des Deutschen Idealismus. Denn: “Philosophie hat nichts mit Deutschtum zu tun”, bringt es Dr. Luca Bertolini aus Turin auf den Punkt. Nicht ohne Grund trägt die Konferenz in der Evangelischen Akademie Arnoldshain deshalb auch den Arbeitstitel >Neues Denken - Jüdisches Denken<. “In seinem Haupt- und Meisterwerk >Der Stern der Erlösung< denkt er nicht nur die Grundlagen der westlichen Tradition neu, sondern wie sich herausstellt denkt er sie jüdisch”, bemerkt dazu Goodman-Thau. Das berühmte Rosenzweig Zitat “Das Jüdische ist meine Methode, nicht mein Gegenstand” bildete denn auch inhaltlich den roten Faden der Beiträge auf der Veranstaltung.
“Mehr als ein halbes Jahrhundert nach der Shoah wird es immer deutlicher, dass wir im Kontext des jüdischen Erbes in Europa nicht mehr allein unter den Stichwörtern >Opfer< und >Täter< reden können, sondern weit umfassender den jüdischen Beitrag zur europäischen Geistesgeschichte bewusst zu machen und zu bedenken haben”, resümiert Goodman-Thau. Und dass dieses Erbe eine weltweite Ausstrahlung erfuhr, davon konnte man sich auf der Konferenz ein beeindruckendes Bild machen. Experten aus Nordamerika, ganz Europa und Israel waren eigens angereist - ein Indiz dafür, dass das “Jüdische Denken” im Sinne Franz Rosenzweigs auf enorme Resonanz gestoßen ist und auch in der Zukunft im philosophischen Denken einen wichtigen Platz einnehmen wird.

Ralf Balke, 2. Juli 2007

27. Juni 2007

Franz Rosenzweig. Neues Denken - Jüdisches Denken

Programmänderung

Im Rahmen unserer bereits unten angekündigten Rosenzweig-Tagung haben wir die Freude, am Freitag, dem 29.6.07 ab 20.00 Uhr ein Klavierkonzert der berühmten Pianistin Veronica Jochum von Moltke, New England Conservatory/Boston ankündigen zu dürfen.
Ort: Evangelische Akademie Arnoldshain

Am Samstag, dem 30. Juni 2007 verleihen wir die "Hermann-Cohen-Medaille für Jüdische Kulturphilosophie 2007/5767" an Prof. Dr. Reiner Wiehl, Heidelberg. Die Laudatio hält Prof. Dr. Wolfdietrich Schmied-Kowarzik, Kassel.

Wenn Sie an einer der Abendveranstaltungen teilnehmen möchten, bitten wir um Mitteilung an weintz@evangelische-akademie.de

26. Juni 2007

Dokumentation: STEFAN ZWEIG über EXIL

Das Gespräch zwischen Prof. Dr. Eveline Goodman-Thau und dem Berliner Biographen Stefan Zweigs, Oliver Matuschek, im Palais Wilczek/Wien, am 20. Juni 2007 eröffnete neue Perspektiven auf das literarische Schaffen und das Leben Stefan Zweigs und stiess auf reges Interesse bei den mehr als 70 TeilnehmerInnen.

Photos (copyright: Silke E. Wahle)

Oliver Matuschek, geboren 1971, studierte Politologie und Neuere Geschichte. Er ist Mitautor mehrerer Dokumentarfilme zu historischen und politischen Themen. Von 2000 bis 2004 Mitarbeiter des Herzog Anton Ulrich-Museums in Braunschweig; Forschungsaufenthalte u.a. in den USA, in Israel, Großbritannien, Österreich und in der Schweiz. Zahlreiche Publikationen zur Museums- und Sammlungs- und Kulturgeschichte.

Ausgewählte Publikationen:
- »Ich kenne den Zauber der Schrift« - Katalog und Geschichte der Autographensammlung Stefan Zweig, Wien 2005.

- Stefan Zweig. Drei Leben - eine Biographie, Frankfurt am Main 2006.

Veranstalter: Hermann-Cohen-Akademie für Religion, Wissenschaft und Kunst
in Kooperation mit dem ICCR (Interdisciplinary Center for Comparative Research in the Social Sciences, Wien und der freundlichen Unterstützung der Kulturabteilung der Stadt Wien, Wiener Vorlesungen
sowie der Österreichischen Gesellschaft für Literatur

7. Juni 2007

Hermann-Cohen-Medaille für Jüdische Kulturphilosophie

In jedem Jahr verleiht die Hermann-Cohen-Akademie die "Hermann-Cohen-Medaille für Jüdische Kulturphilosophie".



In diesem Jahr wird die Medaille an den Heidelberger Philosophen Prof. Dr. Reiner Wiehl im Rahmen der Tagung "Neues Denken - Jüdisches Denken. Franz Rosenzweig zum 120. Geburtstag. Eine Retro-Perspektive" (29. Juni - 1. Juli 2007, Ev. Akademie Arnoldshain - s. Ankündigungen unten) verliehen.

Die Trägerinnen und Träger der "Hermann-Cohen-Medaille für Jüdische Kulturphilosophie":

2003: Prof. Dr. Micha Brumlik, Frankfurt M. (Bericht)


2004: Prof. Dr. Rivka Horwitz z''l, Jerusalem/Israel (Bericht)
- Rivka Horvitz: Memories (Homepage by her family)


2005: Prof. Dr. Helmut Holzhey, Zürich/Schweiz (Tagung)


2006: Prof. Dr. Agnes Heller, Budapest/Ungarn (Tagung)

10-jähriges Jubiläum der Hermann-Cohen-Akademie

Im kommenden Sommer 2008 feiert die HCA ihr 10-jähriges Bestehen.
In den kommenden Wochen finden Sie hier das Festprogramm.

"100 Jahre Jüdische Denker"

„100 Jahre Jüdische Denker“ will auf den Spuren jüdischer Denker der Moderne im Abendland neue Wege des Diskurses suchen, um aus den vielfarbigen Steinen des jüdischen Erbes Europas im Nach-Denken und Nach-Dichten neue Sinnwege für die Fragen der Zeit zu gestalten.
Zu diesem Zweck veranstalten die Hermann-Cohen-Akademie für Religion, Wissenschaft und Kunst in Kooperation mit dem Interdisciplinary Centre for Comparative Research in the Social Sciences und mit freundlicher Unterstützung des Kulturamtes der Stadt Wien und der Österreichischen Gesellschaft für Literatur eine öffentliche Vortragsreihe, zu der prominente Historiker, Philosophen, Theologen, Literatur- und Kulturwissenschaftler, Politiker, Schriftsteller und Journalisten zu den Themen Judentum in Europa in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eingeladen werden. Das FORUM JÜDISCHE PASSAGEN "100 JAHRE JÜDISCHE DENKER" sieht sich als ein offenes Forum, das einen Austausch von Ideen jenseits institutioneller und politischer Grenzen befördern will.

Konzeption: Prof. Dr. Eveline Goodman-Thau, Jerusalem/Kassel


Termine:

in Wien
(Österreichische Gesellschaft für Literatur, Herrengasse 5 (Wilczek), 1010 Wien
Beginn jeweils 20Uhr)


16. Mai 2007
ERNST BLOCH über Religion
Prof. Dr. Jochen Hörisch

20. Juni 2007
STEFAN ZWEIG über Exil
Oliver Matuschek

18. Oktober 2007
THEODOR W. ADORNO über Kultur
Prof. Dr. Micha Brumlik

21. November 2007
HANNAH ARENDT über Geschichte
Dr. Ingeborg Nordmann


in Weimar:
(Vortragssaal im Stadtmuseum
Beginn jeweils 19.30 Uhr)


28. März 2007
Stefan Zweig über Exil
Oliver Matuschek

25. April 2007
Sigmund Freud über Psychoanalyse
Gesine Palmer

30. Mai 2007
Martin Buber über Dialog
Klaus Davidowicz

27. Juni 2007
Margarete Susman über Frauen
Ingeborg Nordmann

24. Oktober 2007
Joseph Roth über Antichrist
Wolfgang Müller-Funk

28. November 2007
Walter Benjamin über Jetztzeit
Wolfgang Bock

International Conference "Franz Rosenzweig: Neues Denken - Juedisches Denken"

Die Frage nach Franz Rosenzweig als Jüdischen Denker ist von wachsender Bedeutung im Bereich der kontextuellen Geisteswissenschaften, besonders der Jüdischen Philosophie und der allgemeinen Kulturphilosophie.
Die Annahme, dass Rosenzweigs Werk primär im historischen Kontext der westlichen philosophischen
Tradition verstanden werden könne, wird zunehmend in Frage gestellt, da diese Tradition eine Entwicklung
von einer historischen zu einer hermeneutischen Philosophie aufweist, infolge der die Problematik des Übergangs zwischen Religion und Moderne nicht mehr nur die Kritik des „Systems”, sondern
vielmehr auch die Einbeziehung der religiösen Traditionen erfordert, denen das säkulare Denken entstammt. Es geht dabei nicht bloß um eine Verbindung zwischen Theologie und Philosophie im klassischen Sinne, sondern um neue Fragstellungen: Kants „Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft” (1794) ist signifikant unterschieden von Hermann Cohens „Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums” (1919); die Quellen des Judentums haben eine andere Verbindung zwischen Religion und Vernunft hervorgebracht als die aus dem Historismus und der westlichen Aufklärung entstandene.
Im Rückblick können wir beobachten, dass Rosenzweigs Versuch, eine neue Metaphysik zu entwickeln, wegweisend und einzigartig darin ist, dass er nicht nur mit Hegelianischer Dialektik und dem Deutschen Idealismus bricht, sondern zugleich auch das zeitgenössische Denken mit einer neuen Vorstellung von
der Beziehung zwischen Gott, Mensch und Welt konfrontiert: aus dem alten Dreieck Metaphysik – Metalogik –
Metaethik entsteht ein neues von Schöpfung – Offenbarung – Erlösung. Rosenzweig stürzt das Gebäude der westlichen Tradition von Iona bis Jena aus religiöser und säkularer Perspektive um und befragt das bisherige Verständnis von Geschichte, Sprache und Selbst.
Diese Konferenz thematisiert die Bedeutung dieses Durchbruchs und die von ihm aufgeworfenen Fragen, die verbunden sind mit der philosophischen Revolution und dem intellektuellen Leben im Deutschland der 20er Jahre, an dem sich zahlreiche jüdische Denker beteiligten, und untersucht ihre Relevanz für die gegenwärtige Philosophie und Hermeneutik.
Im Rahmen unserer Tagung werden wir Prof. Dr. Reiner Wiehl, Prof. em. der Philosophie, Universität Heidelberg, mit der Verleihung der „Hermann-Cohen-Medaille für Jüdische Kulturphilosophie 2007/5768” ehren.

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